Fahrradtour in Südschweden

„Vom Seenparadies bei Växjö 
über das Glasreich Schwedens bis Berga"

 

Start: 1. Tag, Sonnabend, den 07. Juli um 16:20 Uhr. Von Blädinge bis zur Insel Sirkön

Wir lassen uns mit dem Auto nach Blädinge (unterhalb von Alvesta) bringen. Eingestimmt durch Gesänge der uns bis hierher begleitenden Mannschaft wie „mir san mit`m Radl da“ und ähnlichem, zurren wir unsere Siebensachen auf dem Gepäckträger fest.  Bei 27° C im Schatten starten wir gen Süden und fahren auf geteerten Straßen an kleinen Holzhäusern vorbei. Richtig schnuckelig sehen sie aus mit ihrem roten, gelben oder blauen Farbanstrich, mit ihren Veranden, die von weißen Holzverzierungen geschmückt werden, umrankt von Heckenrosen oder anderen blühenden Kletterpflanzen. Die schwedische Fahne darf nicht fehlen. Vor dem Haus eine sorgfältig gemähte Rasenfläche mit Blumen, Bäumen und Büschen. Dazwischen viel Wiesen, Wald und Weideflächen. Auf der kilometerlangen Strecke bis Torne begegnen uns nur 6 Autos und trotz spitzenmäßigem Wetter keine anderen Radfahrer!

Der Åsnen ist ein langgestreckter zerklüfteter See eingebettet in einer absolut naturbelassenen Landschaft. Unser erstes Bad im Åsnen erfrischt herrlich. Wir setzen unseren Weg fort und überqueren den Åsnen bei Torne.  Nadelwald spendet wunderbaren Schatten und wir erreichen unseren ersten Stop gegen 19.30 Uhr auf der Halbinsel Sirkön. Der Campingplatz  Mjölkernabben bietet Naturcamping (fast) pur: Ein Platz am See mit kleinem Waschhaus und der Möglichkeit, ein Paddelboot zu mieten (Übernachtung für 80 Kronen). Das Zelt ist schnell aufgebaut und wir gehen erst einmal eine Runde Schwimmen. Martin entzückt in einem schwarzen Body und zieht die Blicke der jungen Mädchen vom Jugendcamping auf sich.

Wir machen Feuer in einer Feuerstelle, die in einer alten Lastwagenfelge eingerichtet ist. Unser Abendessen besteht aus Würstchen, aufgespießt auf Stöcken und gebraten über dem Feuer. Das Feuer verhindert leider nicht, dass sich gegen Einbruch der Dunkelheit (gegen 22 Uhr) gierige Insekten auf uns stürzen und uns mit ihren Stichen piesacken. Wir flüchten schließlich ins Zelt. Leider sind wir auch hier nicht allein, da wir nicht rechtzeitig vorher das Zelt geschlossen haben. Ohne Blutspende geht diese Nacht nicht ab!

2. Tag: Sonntag, Von der Insel Sirkön nach Linneryd

Der nächste Morgen empfängt uns wieder mit strahlend blauem Himmel und großer Wärme. Angesichts dieser Temperaturen ist es besser, das Zelt gleich abzubauen und alles zu verpacken, bevor wir per Boot den See erobern.  Es ist einfach herrlich, durch das Wasser zu gleiten und sich zu sonnen. Ab und zu streifen wir die Schilfwälder am Seeufer. Schließlich erreichen wir eine kleine Felseninsel. Hier gehen wir an Land und dann zum Schwimmen ins Wasser. Ich habe nicht mit den teilweise spitzen Steinen dicht unter der Wasseroberfläche gerechnet und folglich stoße ich mir sämtliche Extremitäten. Schließlich geht es per Rad weiter durch den Wald hinauf nach Lunnabacken, ein Aussichtspunkt von dem man nicht nur wunderbar auf den Asnen schauen kann, während man Eis schleckt oder Kuchen isst, sondern auch historische Obstanbauweisen und Kunsthandwerk bestaunen kann. Ich darf 1 ½ Stunden lang die Aussicht genießen und mich an Eis und Erdbeeren laben, weil Martin nicht von der Insel lassen kann. Er hat extra den Fotoapparat dort liegengelassen um die Chance zu haben, mit einem netten  älteren Herren vom Campingplatz Mjölkerrabben, seines Zeichens Schweizer, noch einmal in einem Zweierkanu hinpaddeln zu können. Sie schlagen sämtliche Geschwindigkeitsrekorde, auch wenn der Rückweg gegen die Strömung die Arme beträchtlich erlahmen lassen. Das lässt man sich lieber nicht anmerken. Was für ein Glück, dass das Fahrrad nicht mit den Armen angetrieben wird!

Unser Weg führt uns weiter durch die abwechslungsreiche Wald-, Wiesen- und Weidenlandschaft über Rössmala und Kvarnamala nach Boaryd. Nach einer kurzen Pause am Wegesrand raffen wir uns auf zur letzten Etappe für heute. Vorbei an Anwesen, bestehend aus drei bis vier bunten Häusern mit Scheunen und ein paar Kuhweiden drum herum radeln wir unter der Sonne Schwedens. Als der Weg sich gabelt und unsere Karte keinen Aufschluss über den Fortgang gibt, kommt uns– wie gerufen – ein Harley Davidson-Fahrer in schwarzer Ledermontur entgegen, der uns weiterhelfen kann.  Welch glückliche Fügung, dass es nur noch 4,5 km bis Linneryd sind, denn der Hintern ist doch schon arg strapaziert. Der Campingplatz liegt etwas außerhalb am Linneryds Sjön. Dieses Mal haben wir einen Platz erwischt, der etwas voller und teurer ist, als der vorherige (warum eigentlich?). Wir zahlen erst einmal für eine Campingkarte (die überall in Europa gültig sein soll, allerdings nur für ein Jahr...) 60 Kronen.  Wegen der Trockenheit ist offenes Feuer verboten. Wenn wir einen Grill hätten, könnten wir auf dem Campingplatz Grillbriketts zum Würstchenbraten kaufen, wird uns beschieden. Die Würstchen braten wir aber lieber in der Pfanne über dem mitgebrachten Gaskocher. Das schmeckt ebenso gut. Anschließend gibt es überbackenes Käsebrot, das genau so hergestellt wird – lecker! Das Bad im See ist erfrischend, die Abzocke für 3 Minuten-Dusche, die noch einmal 1 Krone kostet - einfach ärgerlich! 100 Kronen blättern wir am nächsten Tag für diese Übernachtung hin.

3. Tag: Montag. Von Linneryd ins Glasreich nach Maleras 

Eigentlich sind für den nächsten Tag Sturm und Regen vorhergesagt. Wir haben aber wieder tolles Wetter und starten – dieses Mal ohne Frühstück – nach Lessebo. Es sind ja nur 15 km und wir fahren ja nur Hauptstraße – na das ist doch ein Kinderspiel. In Lessebo wollen wir gleich einkaufen und dann schön in Ruhe frühstücken .... Aber die Strecke nach Lessebo hat es wahrlich in sich. Man kann kilometerweit den Lauf der Straße verfolgen, immer hoch und runter - das ist eine Herausforderung an die Gangschaltung. Angesichts der hohen Temperaturen haben wir diese Strecke als größte Herausforderung der ganzen Tour in Erinnerung. So schön der Wald zu beiden Seiten ist, bald sieht man nur noch die Berge und Täler, die es mit Muskelkraft zu bewältigen gilt.  Unangenehm sind die an uns vorbeirauschenden Autos, die mitunter gefährlich nah passieren, wenn ein Wagen entgegenkommt. Lessebo ist bekannt für seine Papierfabrik.  Neben der modernen vollautomatisierten Fabrik befindet sich hier eine der letzten Werkstätten, in denen noch handgeschöpftes Papier hergestellt wird (Lessebo Handpappersbruk). Wir schließen uns einer kleinen Führung durch die Werkstatt an. Das Papier wird hier noch nach alter Tradition nur aus Baumwolle und Leinen unter Zusatz eines synthetischen Klebstoffes und Wasser hergestellt. Die Tradition ist vom Aussterben bedroht, denn wer möchte heute noch als „Schöpfer“ oder „Gautscher“ am Bottich stehen? König Carl Gustav und Königin Silvia ließen sich hier ihr eigenes Papier mit ihrem Konterfei als Wasserzeichen herstellen.

Während wir fürs kombinierte Frühstück/Mittagessen einkaufen, geht ein Regenschauer runter.  Auf einer Bank unter einem Baum, unweit des Johannisbaumes in Lessebo, der nur mit buntem Papier geschmückt ist, genießen wir ein köstliches Mal. Unser Weg führt uns dann weiter nach Kosta, einer Stadt des Glasreichs von Schweden. Die Glasfabrik (Kosta Boda) ist leicht zu finden.  Wir beobachten die Glasbläser bei ihrer Arbeit. Faszinierend ist die Vielfalt der Farben, die sich in dem Glas bei der Herstellung verteilen.  Es wird jede Art von Gebrauchsglas hergestellt: Schalen, Gläser, Kannen. Die Bemalung des Glases demonstriert eine junge Frau. Schade, dass es immer das gleiche Motiv ist, dass sie auf die Schalen aufträgt.

Schließlich finden wir den Waldweg Richtung Måleras. Angesichts der schweißtreibenden Temperaturen kommt uns der kleine See am Wegesrand sehr gelegen. Es gibt sogar einen Badesteg. Schnell der Kleidung entledigt, in die Badeklamotten... und hinein. Da manche Seen in Schweden braunes Moorwasser haben und man den Grund nie sehen kann, ist es hin und wieder eine Überraschung, auf was man im Wasser tritt. Hier ist der Untergrund eine undefinierbare Masse aus Schlingpflanzen und Modder. Als braune Moormenschen entsteigen wir wieder mühsam der Brühe. Das war nicht so toll. Was wir nicht abspülen können, wird kurzerhand ins Handtuch gewischt.

Der Weg durch den Wald führt uns durch ein militärisches Übungsgelände, vorbei an alten, halb verrosteten Panzern nach Måleras. Panzer üben eine ungeheure Anziehungskraft auf Mann aus. Das Kind in ihm besteigt das Wrack und verschwindet in der Luke.

Schließlich erreichen wir die Måleras Glasfabrik (Måleras Glasbruk). Hier wird Glaskunst hergestellt. Fantastisch sind diese Bilder im Glas! Wir sehen in der Ausstellung große Schalen oder Glasblöcke mit bunten Abbildern z.B. von Tieren aber auch von Neptun und anderen Göttern. Die Motive sind offensichtlich von hinten in die Teile gekratzt oder geätzt worden. In Måleras übernachten wir bei Freunden und stellen fest, dass ein normales Bett in einem Haus auch seine Vorzüge hat.

 

4. Tag: Dienstag. Von Måleras nach Berga

Von Måleras brechen wir am nächsten Tag bei Temperaturen von etwa 20 – 22° C auf nach Älghult. Wir nehmen die Straße über Alstermo, weil die Fahrt auf der Landstraße direkt auf den Älgasjön zu bei Älghult so spannend sein soll. Es ist tatsächlich so.  Von der vorher durch sanfte Anstiege erkämpften Höhe aus rasen wir in affenartiger Geschwindigkeit den Berg hinab direkt auf den See zu. Ein tolles Gefühl! Weiter geht es auf der Landstraße, auf der uns nur wenige Autos überholen über Grönskara, wo wir eine Pause einlegen, um unsere Essensreste zu vertilgen bis nach Högsby.  Zwischendurch bewundern wir holzgeschnitzte Kunstwerke, zu denen ein lebensgroßer Elch gehört. Die kurze Pause in Högsby dient nur der Verständigung mit unserem Abholservice in der Villa Äppleträd, dann geht es gleich weiter nach Berga, dem Endpunkt der Tour. Berga verfügt sogar über einen Bahnhof. Tatsächlich sehen wir einen modernen Vorortzug im Bahnhof stehen, als wir die Eisenbahnbrücke überqueren. Unsere Tour endet im Haus Blomsterlund in Berga bei einer guten Tasse Kaffee und netten Leuten, die uns dazu eingeladen haben.

Auf dieser Tour habe ich Schweden kennen gelernt. Ich habe gesehen, wie weit und natürlich die Landschaft ist. Besonders lieben gelernt habe ich die schwedische Art, Häuser zu bauen. Unverständlich geblieben ist mir aber, dass Radfahren in Schweden nicht so populär ist, wie bei uns. Vermutlich liegt es an den Entfernungen, die hier so groß sind. Als Fazit bleibt: Die Natur ist einfach einzigartig, auch wenn wir auf unserer Radtour nicht einen einzigen lebendigen Elch zu Gesicht bekommen haben...

Imke Ellermann-Rosenberg
(Cousine der Ferienhaus-Vermieterin)